Nagorno Karabach 23.-26.05.19

Nagorno Karabach, im deutschen Sprachraum auch vielfach Bergkarabach und von den Bewohnern Arzakh genannt, ist ein selbst deklarierter Staat zwischen Armenien und Aserbaidschan, der aber von keinem (!) andern Land der Welt anerkannt wird. Rund 145'000 Menschen bewohnen das hügelige Land, das etwas kleiner als der Kanton Wallis ist. Arzakh hat eine eigene Regierung, eine eigene Armee - und die meisten Ausländer benötigen für die Einreise ein Visum.

 

Seit dem 14. Jahrhundert stellten die muslimischen Völker die Mehrheit in der Grossregion, während sich in Bergkarabach starke armenische (christliche) Fürstentümer halten konnten. 1813 trat Persien Bergkarabach an Russland ab. Nach der russischen Oktoberrevolution, als Russland kurzzeitig die Kontrolle über den Kaukasus verlor,  erhoben sowohl Aserbaidschan wie auch Armenien Anspruch auf das Gebiet und es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen und Massakern auf beiden Seiten.

                                Karte des Konflikts: Bergkarabach Armenisch besetztes Gebiet Aserbaidschans

Nach der Eroberung des Kaukasus durch die Rote Armee entschied die Zentralregierung in Moskau, Bergkarabach als autonomes Gebiet in die neu gegründete "Sozialistische Sowjetrepublik Aserbaidschan" einzugliedern. Damit konnte sich die Bevölkerung Bergkarabachs, die zu dieser Zeit aus über 90% Armenier/-innen bestand, nur schwer abfinden. Zwischen 1925 und 1980 forderte die Regionalregierung mehrmals per Petition eine Trennung von Aserbaidschan. Stalin und seine Nachfolger gingen nicht darauf ein

1988 flammte der Konflikt wieder auf. Es kam zu Massendemonstrationen und Unruhen Der Konflikt verschäfte sich immer mehr, es kam zu Ausweisungen und Massakern auf beiden Seiten. Die geschwächte Sowjetarmee schritt schliesslich ein, konnte die Gewalt aber nicht beenden. Die armenische Armee besetzte Bergkarabach und schuf zusätzlich noch eine Pufferzone zu Aserbaidschan. 1994 kam es mit ausländischer Vermittlung zu einem Waffenstillstand, der aber auch heute noch immer wieder gebrochen wird. Es kommt jeden Monat zu Schiessereien, auch mit Todesfolge.

Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Aserbaidschan und Armenien haben ihre gegenseitigen Grenzen geschlossen und Hass regiert auf beiden Seiten.

Ich war drei Tage in Bergkarabach, wovon zwei in der Hauptstadt Stepanakert. Einen Tag habe ich mit dem Vater der Pensionsbesitzerin einen Ausflug durch das Land gemacht.

Obwohl international isoliert, leben die Menschen hier nicht schlechter als in Armenien. Die Hauptstadt ist sauber und die Menschen wirken gelassen und freuen sich offenlichtlich über ausländischen Besuch. Ich wurde öfters auf der Strasse in ein Gepräch verwickelt.

Ende des Schuljahrs: Ein grosses Fest für Kinder und Eltern

Das faszinierenste an Bergkarabach war für mich aber die atemberaubende Landschaft. Bewaldete Hügel so weit das Auge reicht.

Ernüchternd war der Ausflug nach Shushi, der ehemaligen Hauptstadt des Khanats Bergkarabach - heute eine triste Ruinenstadt.

Bis 1920 war Shushi ein wirtschatliches und kulturelles Zentrum mit über 40'000 Einwohner/-innen, davon 53% Armenier und 44% Aserbaidschaner. 1920 wurde bei einem von der Türkei organisierten Pogrom Tausende von Armeniern ermordet, die übrigen flohen und die von den Armeniern bewohnten Stadtteile wurden zerstört. Die Einwohnerzahl sank auf 5'000 und die Stadt versank in der Bedeutungslosigkeit. Davon hat sich Shushi bis heute nicht erholt. Die Bevölkerungszahlen stiegen zwar im Laufe der Jahrzehnte wieder, aber im Karabach-Konflikt in den 1990er Jahren wurde die Stadt von den Armeniern erobert und die aserbaidschanische Bevölkerung vertrieben. Heute ist Shushi, obwohl wieder neue Wohnsiedlungen entstanden sind, eine trostlose Geisterstadt voller Ruinen, ohne Geschäfte und ohne Menschen auf den Strassen. Die Einwohnerzahl wird mit 4'000 angegeben.

 

Vor einem knappen Jahr besuchte ich Transnistrien, ein Land zwischen Moldawien und der Ukraine, dessen Situation derjenigen von Nagorno Karabach ähnelt: Isoliert seit fast dreissig Jahren und von keinem andern Staat anerkannt. Bergkarabach ist aber doch in der besseren Lage: Obwohl an der Grenze immer noch geschossen wird, besteht die Hoffnung der Bevölkerung, eines Tages zu Armenien zu gehören. Dies zeigt sich auch in der Nationaflagge: Es ist die gleiche wie die armenische, nur mit einem weissen Trennstrich auf einer Seite. Dass dieses Weisse einmal verschwinden wird, daran glauben die Einwohner von Arzakh felsenfest. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Barbara (Freitag, 07 Juni 2019 23:23)

    Interessant, wie Du die "GeografieWörter" mit Inhalt füllen kannst und das "dahinten am Kaukasus" mit Leben erfüllst. Toll, dass du dir dafür Zeit nimmst und mich ein bißchen teilhaben lässt.

  • #2

    Carmen, de Crossfit (Dienstag, 18 Juni 2019 16:19)

    Willy, muchas gracias por compartir esos conocimientos con todo el que lea vuestro blog. Se te ve estupendamente en las fotos.