Nukus 01. - 05. Juli 2019

Vom Iran nach Usbekistan: Gar nicht so einfach

Unser Plan war, von Iran nach Turkmenistan und dann weiter nach Usbekistan zu reisen, natürlich alles auf dem Landweg und mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Schon vor Reisebeginn wurde uns aber klar, dass diese Route so nicht realisierbar ist.

Turkmenistan, das "Nordkorea Zentralasiens" schottet sich immer mehr ab und hat vor ca. 2 Jahren die Reisevorschriften für Individualreisende massiv verschärft.

 

Daher beschlossen wir, vom Iran nach Usbekistan zu fliegen und wohl oder übel Turkmenistan nicht hinter, aber unter uns zu lassen. Flüge der iranischen Fluggesellschaften lassen sich im Westen aus den bekannten politischen Gründen nicht buchen, aber in Teheran wird das dann sicher möglich sein - dachten wir. Zu unserer Überraschung gibt es aber zwischen diesen beiden Ländern, die nicht miteinander verfeindet sind, keine direkte Flugverbindungen.Ohne Umwege geht es nicht: Entweder sehr grosse über Istanbul oder Moskau oder dann - was wir gewählt haben - über Dubai.

Nukus, die unscheinbare Hauptstadt der Provinz Karalpakistan, war für uns vor allem aus einem Grund eine Reise wert:

Das Igor-Sawitzki-Museum

Igor Sawitzki (1915 - 1984) war ein russischer Maler und Archeologe, aber vor allem ein leidenschaftlicher Sammler moderner Kunst. 1950 nahm er an einer archeologischer Ausgrabung in Karakalpakistan im äussersten Westen der damaligen usbekischen Sowjetrepublik teil. Fasziniert von der Kultur des Steppenvolks der Karakalpaken begann er neben seiner Arbeit als Archeologe Schmuck, Teppiche, traditionelle Kleider und andere Kunstobjekte aus dieser Gegend zu sammeln. Gleichzeitig sammelte er auch Gemälde von zentralasiatischen Künstler/-innen oder Gemälde, welche Zentralasien zum Thema hatten. Nach der Beendigung der Ausgrabungen blieb er in Nukus und erweiterte seine Sammlung beständig, nun auch mit Bildern zeitgenössischer Künstler/-innen. Es gelang ihm, die Behörden von der Notwendigkeit eines Museums in Nukus zu überzeugen, dessen Leiter er dann wurde.

Zu dieser Zeit war in der in der Sowjetunion nur ein Kunststil geduldet, der "Sowjetische Realismus". Die Kunst wurde von der Politik instrumentalisiert und hatte den "heldenhaften Kampf der Arbeiterklasse" und ihrer Führer abzubilden und zu verherrlichen. Viele Künstler/-innen konnten sich diesem Diktat nicht unterwerfen. Sie emigrierten oder wählten das innere Exil. Andernfalls wurden sie verboten, ins Gefängnis geworfen oder - zu Zeiten Stalins - in Konzentrationslagern umgebracht.

Sawitzki sammelte nun auch die Bilder dieser Künstler/innen und förderte sie , soweit es ihm seine  beschränkten finanziellen Mittel erlaubten. Ihm wurden von den Künstler/-innen oder ihren Familien auch Bilder überlassen, denn hier in Nukus, am äussersten Rand des stalinistischen Terrorregims, konnte er sie verstecken. So wurden die Werke vor dem Zugriff der Regierung gerettet und wir können sie noch heute geniessen.

 

Bis zu seinem Tod 1984 blieb Sawizki Direktor des Museums und sammelte unermüdlich weiter. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Beginn der Neunziger Jahre blieb das Museum eine Weile verwaist, wurde dann aber später gründlich renoviert und mit einem zusätzlichen Bau erweitert.

Das Museum beherbergt heute nach eigenen Angaben 85'000 Objekte. Trotz der Grösse der beiden Museumsbauten können aber nur 3% dieser Objekte jeweils ausgestellt werden.

Vom Besuch des hochgelobten Savitzki-Museums war ich trotzdem enttäuscht. Überall wird das Museum angepriesen als "nach St.Petersburg grösste Sammlung der Russischen Avantgarde". Und darauf hatte ich mich eingestellt und besonders gefreut.

Die Russische Avantgarde ist eine klar definierte, sehr interessante Epoche in der russischen Kunst. Sie dauerte von ca. 1905 bis 1934. "Alle Künstler dieser Epoche vereinte das Bestreben, eine Synthese zu schaffen aus volkstümlichen Elementen, modernen Strömungen und der zeitgemäßen Tendenz der Abstraktion gerecht zu werden" (Wikipedia).

Leider waren in beiden Museen nur gerade vier bis sechs Gemälde, die sich dieser Epoche zurdnen liess. Überwiegend ausgestellt waren Werke mit folkloristischen Themen, Landschaftsbilder, Stilleben und - ja, auch sozialistischer Realismus. Offensichtlich lagern zur Zeit (fast) alle Gemälde der Russischen Avantgarde in den grossen Archiven des Museums. Schade!


Über Sawitzki und sein Museum in Nukus gibt es einen sehenswerten und prämiertern Dokumentarfilm von Amanda Pope und Tchavdar Georgiev.

Hier der Trailer, den ganzen Film gibt es auch bei YouTube:

https://www.youtube.com/watch?v=pGX7kKrutpY

 

Nukus ist eine grosszügig angelegte Wüstenstadt ohne weitere Sehenswürdigkeiten. Trotzdem (oder gerade deswegen!) haben wir unseren viertägigen Aufenthalt in dieser "normalen", völlig untouristischen Stadt genossen. 

Eines Tages wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass am Abend ein "Flower Festival" stattfinden würde. Also nichts wie hin!

Das Fest entpuppte sich als fröhlicher, entspannter und mit wenig Mitteln inszenierter Anlass, keine "Gartenschau" deutschen Stils. Viele der Blumenarrangements waren aus Plastik (klar, bei über 40 Grad tagsüber halten sich die Plastikblumen besser) und ebenfalls erstaunlich für uns: Es gab keine Stände mit Essen oder Getränken, was im Westen ja undenkbar wäre. Die Menschen erfreuten sich ganz einfach am geselligen Anlass und an den Blumenarrangement, die wie bei uns vor allem als Selfie-Hintergründe dienten.

Der Höhepunkt bildete aber ein Konzern mit verschiedenen lokalen Bands und v.a. die Jugend tanzte begeistert mit - und freute sich besonders am Auftritt einer ausländischen Tänzerin! Erkennt ihr sie?

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Carmen, de Crossfit (Freitag, 02 August 2019 17:19)

    La ausencia de puestos de comida y bebida....sí, efectivamente, impensable en nuestro país