Tadschikistan 15. - 24. Juli 2019

Sarytag

Nach so vielen imposanten usbekischen Städten in Folge hatten wir das Bedürfnis, etwas Landluft zu schnuppern. Nach dem problemlosen Grenzübertritt von Usbekistan nach Tadschikistan fuhren wir mit Sammeltaxi in die Fan-Berge. 

Tadschikistan ist ein überaus gebirgiger Staat. Fast die Hälfte der Landesfläche liegt auf über 3000 Meter. Das macht das Land auch für Wanderer, Trekker und Bergsteiger attraktiv.

 

 

 

 

So trafen wir eine Gruppe Tschechen, die mit 25 Kilo Gepäck auf dem Rücken mit Kochgeschirr und Zelten zehn Tage in den Bergen unterwegs waren. Tough guys! Und trinkfest!

Wir dagegen begnügten uns mit ausgedehnten Spaziergängen rund um den kleinen Ort Sarytag und genossen die Stille, die moderaten Temperaturen auf 2500 Metern und die imposanten Berge.

Dabei stiessen wir auch auf einen kleinen Ort am oberen Ende eines Tals. Die Siedlung wirkte archaisch und die Menschen sehr schüchtern. Wir haben uns gefragt, ob die Menschen hier auch im harten und schneereichen tadschikischen Winter hier leben, ohne Strom in schlecht isolierten Häusern.

 

 

 

 

 

 

Im Ort Sarytag gibt es weder Restaurants noch Gasthäuser, aber mehrere Familien bieten Unterkunft und Essen an. Man lebt dann wirklich mit den Familien in "Gästezimmern" und teilt WC und Dusche. Die Verständigung klappt mit Händen und Füssen, Google Translater. Auch ein paar Brocken Russisch waren hilfreich.

In dieser Gegend, etwas tiefer gelegen, hat auch der Präsident Tadschikistans ein Anwesen, idyllisch am Iskanderkul-See gelegen. Allerdings muss sich die präsidiale Entourage nicht über die schlechten Strassen quälen, sondern sein Gelände verfügt über zwei (!) Helikopterlandeplätze.


Duschanbe

Auf Reisen informieren wir uns natürlich vorgängig nicht nur über Transport- und Unterkunftsmöglichkeiten und Sehenswürdigkeiten der Länder und Städte, die wir bereisen, sondern lesen auch über deren Geschichte und aktuelle politische Situation. Wir wussten, dass Tadschikistan mit einem BIP pro Kopf von USD 990 das ärmste Land auf unserer diesjährigen Reise sein wird, dass es sogar zu den (statistisch) ärmsten Ländern der Welt gehört. Die grösste Einnahmequelle des Landes sind die Rimessen, die Überweisungen der 1 Mio Tadschiken, die im Ausland - überwiegend in Russland - arbeiten. Dadurch wird das grosse Handelsbilanzdefizit ausgeglichen. Ansonsten lebt der diktatorisch regierte Staat von Landwirtschaft, Bergbau und etwas Metallverarbeitung.

Mit diesen Informationen im Kopf erwartete ich eine düstere und ärmliche Stadt mit vielen verlotterten Überbleibseln aus der Sowjetunion. Wie so oft entsprach dann aber die Realität nicht diesem Bild. Zwar gibt es auch in der Innenstadt ein paar Sowjetruinen, aber Duschambe ist eine sehr grosszügig gebaute und gepflegte Stadt mit vielen Alleen und Parks und viel Platz für Fussgänger.

Gruppenbild mit Mann

Gespräch unter Frauen

https://youtu.be/IMVIiMujWYk

Abends, wenn die Temperaturen kühler bzw. weniger heiss sind, füllen sich die nun bunt beleuchteten Alleen und Parks mit Menschen.

 

Auffällig sind aber auch die protzigen Renommierbauten und die allgegenwärtigen Porträts des Diktators Rahmon.

So stellt der weiträumig abgesperrte Präsidentenpalast das Weisse Haus in Washington bei weitem in den Schatten:

Wofür macht der Präsident im Mohnfeld wohl Werbung?

Wer hat den längsten?

Im Nahen und Mittleren Osten spielt sich ein Wettkampf der besonderen Art ab: Es geht um den längsten freistehenden Fahnenmast.

Alles begann im Jahr 2001, als Abu Dhabi zur Feier des Nationaltages einen 120 Meter hohen Fahnenmast bestellte. Damit hatten die Arabischen Emirate ausser dem höchsten Hotel, dem grössten Kronleuchter und dem grössten Gebetsteppich nun auch die längste Fahnenstange - aber nicht lange. 2003 liess der jordanische König in der Hauptstadt Amman einen 127 Meter hohen Mast aufstellen. 2008 griff Turkmenistan als erstes postsowjetisches Land in den Wettkampf ein und übernahmen mit 133 Meter die Führung. Dann gab es einen grossen Sprung: Der aserbaidschanische Präsident Islom Karimow versprach sich wohl vom Bau des 162 Meter Masts (ein Plus von 29 Metern!) in Baku einen Rekord für lange Zeit. Aber er hatte nicht mit den Tadschiken gerechnet. Weniger als ein Jahr später - noch zu Lebzeiten Karimows - wehte eine 60 Meter lange, 30 Meter breite und 700 Kilo schwere tadschikische Nationalflagge an einer

165 Meter hohen Fahnenstange.

 

Aber auch dieser Rekord wurde gebrochen, nun von den Saudis: In Dschidda weht seit 2014 die Nationalfahne in 171 Metern Höhe im Wüstenwind. Das Rennen ist aber offen... Dafür wird sicher auch die Firma Trident Support sorgen, die all diese Fahnenstangen gebaut hat - und  weitere bauen will.

Chudschand

Weiter geht die Fahrt in einem komfortablen Sammeltaxi, einem ziemlich neuen Lexus-SUV in die zweitgrösste Stadt Tadschikistans, Chudschand.

Der Weg führt in atemberaubendem Tempo durch abwechslungsreiche Berglandschaften und steile Schluchten. Die Bus- und Taxifahrer sind in der Regel sehr erfahren und kennen wahrscheinlich jede Kurve auf der Strecke sehr genau. Aber sie fahren wie vom Teufel gejagt! Ich bin mir ja von meinen Reisen einiges gewohnt und liebe auch selbst rasante Fahrten, aber hier im Südkaukasus und noch mehr in Zentralasien bleibt mir bei den waghalsigen Überholmanönvern manchmal fast das Herz stehen.

"Gefährlicher Tunnel"

Einen Teil dieser Strecke sind wir schon dem Hinweg nach Duschanbe gefahren und wir hatten deshalb den Anzob-Tunnel schon einmal durchfahren. Dieser 5 km lange Tunnel verkürzt die Fahrtstrecke von Duschanbe nach Chutschand und zum nördlichen Nachbarn Usbekistan um 4 Stunden, wird aber auf unserer Landkarte als "gefährlicher Tunnel" markiert. Eröffnet wurde der Tunnel 2006, ohne dass er fertig gestellt war. Es fehlte der Bodenbelag, die Ventilation und die Beleuchtung. Zudem drang permanent Wasser in den Tunnel. 2014 beschloss man mit Hilfe Irans den Tunnel zu reparieren und normal befahrbar zu machen. Bei der Wiederereröffnung im August 2017 schien dieses Ziel erreicht, obwohl keine Lüftung eingebaut wurde. Heute aber, nach zwei Jahren, ist vom Strassenbelag nicht mehr viel vorhanden. Von der Beleuchtung ist kaum etwas zu sehen und in den zahlreichen Schlaglöchern sammelt sich das Wasser. Umso tiefer man in den Tunnel eindringt, um so schlechter wird die Sicht und die Luft im Auto, trotz abgeschalteter Lüftung. All dies hindert die Fahrer aber nicht, auch hier zu überholen.

 

Bellazmira hat die erste Durchquerung des Tunnels ziemlich mitgenommen, aber mangels Alternative mussten wir auf unserem Weg nach Usbekistan wieder da durch.

Hier ein kurzes Video, das sie aufgenommen hat:

https://youtu.be/_0T9-Z1vMn0

 

Wie üblich auf langen Bus- und Sammeltaxireisen gibt es einen Essensstopp. Viele Restaurants an den Fernstrassen sind spezialisiert auf durchreisende Kunden und bieten eine begrenzte Anzahl an Menus - z.B. eine Suppe, Fleisch vom Grill, u.ä. Hier gibt es Ziege. Mir schmeckt es, Bellazmrira weniger. (Sie wird auf dieser Reise langsam zur Vegetarierin...)

Mit auf der Reise sind auch zwei Studenten, 16- und 20jährig. Die beiden Brüder streben beide eine Diplomatenausbildung in Moskau an. Wir essen zusammen und können nicht verhindern, dass sie unser Essen bezahlen. Es beschämt uns, dass zwei Studenten, die sicher nicht Geld im Überfluss haben, unser Mittagessen bezahlen. Eine Ablehnung von uns wäre aber eine grosse Beleidigung gewesen.

Chudschand liegt auf dem Weg nach Usbekistan und hat knapp 200'000 Einwohner-/innen. Die Stadt verfügt über keine besonderen Sehenswürdigkeiten, aber es gefällt uns hier und wir beschliessen, zwei Tage zu bleiben. Es tut gut, wieder einmal in einer ganz normalen Stadt zu sein und das Alltagsleben der Menschen mitzuerleben. 

Nach unserer Ankunft machen wir einen Spaziergang zum Fluss Syrdaria, den wir in Usbekistan schon ein paar Mal getroffen haben.Am Ufer stossen wir auf eine Gruppe Männer, die soeben aus einem Lokal strömen und fragen sie nach dem Anlass. Die Antwort kommt in fliessendem Englisch, dass es sich um eine Hochzeitsfeier handele. Die Feier der Männer sei nun fertig, in einer Stunde seien die Frauen dran. Den Einzug der Frauen und des Brautpaares wollten wir natürlich nicht verpassen und so stehen wir nach einer Stunde wieder am selben Ort - und werden prompt, obwohl völlig underdressed, zur Feier eingeladen!

Bald erfahren wir, dass der Bräutigam in Deutschland arbeitet und ausgezeichnet deutsch spricht. Bald nach der Hochzeit wird das Paar nach Deutschland ziehen. Die Braut war aber noch nie dort und spricht auch kein deutsch. Die Ehe war - wir es in Tadschikistan die Regel ist - von den Eltern arrangiert.

Es war für uns eine grosse Ehre, zu diesem Fest eingeladen zu werden und so mehr über die Menschen hier und ihre Hochzeitsrituale zu erfahren, und das erst noch überwiegend auf deutsch.

Statt Fotos haben wir an der Hochzeitsfeier vor allem Videos gemacht. Hier ein Zusammenschnitt:

https://www.youtube.com/watch?v=XqLTPiNWnJA&list=UUMJcqmrMk9JprlTRa4a0g8g&index=1

Für den nächsten Tag wurden wir von Malikakhon (im Bild unten ganz rechts) zum Tee eingeladen. So hatten wir Gelegenheit, eine weitere Familie kennen zu lernen.

Malikakhon wird Mitte August heiraten, ebenfalls einen Mann, der in Deutschland arbeitet. Im Gegensatz zur Braut der Hochzeit des Vortages lernt sie aber seit acht Monaten fleissig deutsch und kann sich schon recht gut verständigen.

In Tadschikistan ist es - quasi als letzte Erziehungsaufgabe - Sache der Eltern, für ihre Kinder einen passenden Partner, eine passende Partnerin zu finden. Diese Tradition wird auch kaum in Frage gestellt.

 

Als der geeignete Partner für Malikakhon gefunden war, kam er aus Deutschland zu Besuch und die beiden hatten zwei Stunden Gelegenheit, sich kennen zu lernen. Danach mussten sie sich entscheiden. Beide waren mit der Heirat einverstanden und der zukünftige Bräutigam flog wieder nach Deutschland. Bis zur Hochzeit werden sie sich nicht mehr sehen und auch sonst keinen Kontakt haben. Auch WhatsApp ist ihnen nicht erlaubt, andere Paare dürfen so aber einen Kontakt aufbauen. Das entscheiden immer die Eltern.  Bald nach der Hochzeit geht auch dieses Paar nach Deutschland und Malikakhon freut sich sehr darauf.

Wir hoffen, die beiden und und ihre Freunde in Deutschland zu treffen.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Barbara (Donnerstag, 15 August 2019 20:06)

    von den wunderschönen Kacheln, Moscheen und türkisen Bauwerken zu gewaltigen Bergen, kommt man da überhaupt noch mit staunen nach?
    Und wo seid Ihr? Früher gab es noch manchmal Kartenausschnitte, jetzt registriere ich - irgendwo im Osten in dieser riesigen Landmasse. Verlauft Euch nicht und eine fröhliche Weiterreise wünsche ich Euch.
    Barbara

  • #2

    Carmen, de Crossfit (Dienstag, 20 August 2019 08:45)

    La verdad es que estáis teniendo unas experiencias increíbles, ya que os empapáis de toda la cultura del país con la gente que vive allí¡¡¡. Sois tan majos que hasta os invitan a una boda!!!.
    Lo de atravesar ese túnel, os admiro. Yo, con la claustrofobia que tengo, creo que no hubiera podido.
    Creo que yo también sería más vegetariana por ahí, pero cuando volváis no creo que os podáis resistir a un buen solomillo en salsa provenzal que te ponen en "Madre del amor hermoso" , que está ummmmm, exquisito.
    Pues que sigáis disfrutando tanto.