A night (two, tree, four... nights) at the jungle

Manaus ist der Ausgangspunkt für Exkursionen in den Amazonas-Regenwald. Deshalb finden sich hier auch viele Touroperators mit unterschiedlichem Angebot, von Tagestouren mit Schnellbooten,viel Bier und Musik bis zu mehrtägigen Touren in abgelegenere und dadurch auch etwas unberührtere Gegenden. Erstere richten sich vor allem an ein brasilianisches Publikum, bei den Mehrtagestouren trifft man fast ausschliesslich auf ausländische Touristen.

Vor Ort holen wir Offerten bei mehreren Anbietern ein, lassen uns aber nicht auf aggressive Strassenverkäufer ein. Wir entschieden uns, mit AMAZON GERO TOURS  einen viertägigen Trip zu unternehmen. Bei unserer Wahl stützen wir uns auch auf die Empfehlungen von Lonely Planet und das Travel Handbuch von Martin Loose.

Am nächsten Morgen werden wir mit einem PKW an einen Hafen ausserhalb Manaus gebracht. Als unsere siebenköpfige Reisegruppe vollständig ist, überqueren wir zusammen mit Gero Mesquita, dem Besitzer des Reisebüros den Amazonas.

Eindrücklich die Stelle, wo Rio Negro und Amazonas kilometerlang paralell verlaufen und sich das Wasser lange nicht vermischt.

Hier das tiefblaue, fast schwarze Wasser des Rio Negro  /  Da der Amazonas, mit seinem erdfarbenen Wasser

 

 

 

 

Nach einer abenteuerlichen Fahrt über schlammige Pisten besteigen wir ein Langboot und fahren weiter auf dem Amazonas südwärts, die Ufer sind mit der Zeit immer weniger bewohnt, der Verkehr auf dem breiten Fluss immer spärlicher. 

Nach einer Weile fällt der Motor aus. Wir warten eine Weile mitten auf dem Amazonas, suchen winkend Hilfe bei einem weit entfernt vorbei fahrenden Boot... Sie winken freundlich zurück...

Dann bleibt nur noch rudern zum nächsten Haus, wo uns der hilfsbereite Mann ohne weiteres einen fast neuen Motor ausleiht und wir damit bis zu unserer Unterkunft weitertuckern können.

 

 

 

Nach rund viereinhalb Stunden abwechslungereicher Fahrt mit Auto - Boot - Kleinbus -Boot erreichen wir unsere "Ipanema Lodge", ein relativ einfaches Camp ohne Schnickschnack, aber mit Charme und alle Doppelzimmer verfügen über  Dusche/WC ,

Ein freundlicher Ort mit freundlichen Menschen und wir fühlen uns schnell zu Hause. Auch mit unserer Reisegruppe haben wir Glück: Alles unkomplizierte, sympathische Travellers aus verschiedenen Ländern - aber keine Brasilianer/-innen.

 

 

 

 

Nach dem späten Mittagessen geht es per Boot gleich weiter zu einer Tour durch die überschwemmten Gebiete. Wir sind zur Zeit am Ende der Regenzeit und der Wasserstand ist sehr hoch. Dadurch ist der grösste Teil der Gegend überschwemmt und das übliche Fortbewegungsmittel ist das Langboot. Teilweise sind zieht sich ein Teppich schwimmender Pflanzen über den Fluss, wie hier im Bild.

Unterwegs besuchen wir noch einen "Tante-Emma-Laden", in dem sich die Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs eindecken kann. All diese Geschäfte sind am oder im Wasser, gebaut auf Flossen, so dass sie sich dem Pegelstand automatisch anpassen.

 

 

Ausserordentliches Glück haben wir auch mit unserem Guide, Jaime, oder wie er sich gerne nennen lässt, Jungle James. Er ist ein cabolco (Mischling Indio - Europäer) und am Amazonas aufgewachsen. Der Urwald ist seine Heimat und er hat dadurch grosse Kenntnisse und Erfahrung im Leben am Amazonas. Zudem spricht er gut Englisch und ist sogar ein ausgezeichneter Koch!

 

Auf unserer Abendtour durch den Amazonas sehen wir einiges und hören vor allem viel. Von verschiedenen - für uns sehr exotischen - Vögeln über verschiedene Affenarten und Faultieren. Amazonien ist aber kein Zoo und die meisten Tiere verstecken sich - wie in den europäischen Wäldern - vor den Menschen Kaimane zum Beispiel, von denen es im Amazonas viele gibt, sieht man keine - ausser Jaime sucht und findet ein junges Exemplar, das er dann rumzeigt und erkärt. Dass man relativ wenig Tiere sieht, tut dem Erlebnis aber keinen Abbruch.

Am folgenden Tag ist Açaí-Herstellung angesagt.

Açaí wird von den Früchten einer Palmensorte, welche vor allem in Amazonien verbreitet ist, gewonnen. Zu Créme oder Glacé verarbeitet, ist Açaí in Brasilien sehr populär und mittlerweile auch in Mitteleuropa angekommen, wo es als "Superfood" gehandelt wird. "Die versprochenen Wirkungen, von Gewichtsabnahme bis zur sexuellen Stimulation, sind nicht wissenschaftlich belegt" (Wikipedia). Auch ich habe keine der versprochenen Wirkungen verspürt, aber mir schmeckt es, allerdings nur mit viel Zucker.

 

 

 

 

 

Zuerst geht es darum, den Rohstoff, d.h. die Beeren zu besorgen. Diese müssen wachsen auf der Palmenart Euterpe oleracea, die über 25 Meter hoch werden können. Und die Früchte sind weit oben, sehr weit oben.

Für unseren Jungle James und einen weiteren Helfer ist das aber kein Problem. Mit Palmblättern wird eine Schlaufe gefertigt, welche um die Füsse gelegt wird, Messer zwischen die Zähne und hoch geht´s, ganz schnell und es sieht ganz leicht aus. Die kräftigsten Jungs aus unserer Gruppe haben es auch versucht, aber keiner hat es höher als zwei Meter geschafft.

Mit dem Messer werden dann die Fruchtstände abgeschnitten und nach unten gebracht.

Das Ergebnis schmeckt.... naja, interessant. Mir ist die gesüsste und als Glace zubereitete Variante schon viel lieber.

Am nächsten Tag ist Pirañafischen angesagt. Das gehört ins Standardprogramm jeder Tour und soll offensichtlich bei den Touristen einen gewissen Thrill auslösen. Mein Ding ist das nicht. Erstens finde ich fischen langweilig, zweitens ist an den Pirañas kaum was dran und drittens mag ich keinen Fisch mit kleinen Gräten. Aber wenn ich endlich was gefangen habe, freue ich mich natürlich auch.

Interessanter ist dann schon eine Übernachtung im Dschungel, weit weg vom Camp!

Hängematten, Moskitonetze, Plasikfolien, Kochgeschirr und Esswaren nehmen wir mit. Das Camp ist soweit vorbereitet, dass Holzstämme als Gerüst für das Plastikdach schon bestehen. Allerdings muss noch ein Balken für das Dach ersetzt werden. Dazu muss noch ein Baum gefällt werden, was der Guide und sein Helfer im Nu mit der Machete - dem einzigen Werkzeug eines Dschungelbewohners - erledigen.

Beim Transport des Baumstamms und der Bereitstellung des Camps hilft aber die ganze Gruppe mit.

Gegen 22 Uhr legen wir uns schlafen. Mein Problem ist: Ich bin noch überhaupt nicht müde. Das wäre weiter nicht schlimm, aber mein Nachbar fängt sehr bald zu schnarchen an. Aber sowas von schnarchen! Er übertönt sogar die Brüllaffen! An Einschlafen ist nicht mehr zu denken. Also beginne ich ihn sanft zu stupsen. Wir liegen so eng in unserem Verschlag, dass ich ihn locker erreiche. Stupsen hilft nichts, also rütteln. Kein Erfolg, also seine Hängematte in Schwingung versetzen. Er schnarcht zufrieden weiter und durch die Schauckelbewegung verteilt sich der Sound noch besser. Kollegen, die ebenfalls noch wach sind, ermuntern mich in meinen Bemühungen, den Schnarcher zu stoppen. Also schlagen. Er ist ein kräftiger Bursche und ich hoffe, er schlägt nicht zurück. Aber die Sorge ist unbegründet. Er schnarcht weiter - und ich gebe es auf. Hat auch keinen Sinn mehr, denn nach kurzer Zeit schnarcht die ganze Gruppe - und ich liege wach und lausche dem mehrstimmigen Chor. Gegen vier Uhr schlafe ich dann auch ein, bin aber trotzdem der erste, der wieder wach ist. 

Klar, in der Hängematte schläft man immer auf dem Rücken und daher schnarchen (fast?) alle, ich auch. Ich habe im Orinoco-Gebiet auch mehrere Tage in der Hängematte im Dschungel geschlafen, aber dort waren wir nund zu fünft - hier sind wir zu neunt und sehr eng beisammen. Wer da als letzter noch wach ist, der schläft nicht so schnell ein.

 

Nach diesem Erlebnis beschliesse ich, dass ich nicht mit dem Schiff von Manaus nach Belem fahren werde. 72 Stunden in der Hängematte neben Dutzenden von Mitreisenden/Mitschnarchenden, nein danke!

Am Morgen brechen wir nach einem kleinen Frühstück mit Kaffee zu einer Wald-Wanderung auf, bei der uns Jaime u.a. die Verwendungszwecke der verschiedenen Bäume zeigt, welche Palmblätter sich besonders für den Dachbau eignet, was essbar ist und was nicht - und welche Ameisensorten man als natürlicher Mückenschutz nutzen kann. Das geht so: Man lässt die Hand an einen Baumstamm, auf dem sich diese bestimmte Ameisenart befindet. Diese nehmen die Einladung sofort an und innert Sekunden ist er Arm voll mit kleinen Ameisen. Diese zerreibt man dann auf der Haut. Der Mückenschutz funktioniert, ich habs ausprobiert. Allerdings hält er nicht sehr lang. 

 

 

 

 

 

Da Bellazmira sehr heftig auf Mückenstiche reagiert, hat sie sich schon zu Hause einen Mosikoschutz gebastelt, den Hut dazu aber erst in Brasilien gekauft. Funktioniert besser als der Schutz mit den Ameisen!

Hier ist Bellazmira in ihrem Element und zeigt zusammen mit dem Guide Jaime den andern Reisenden, wie man aus Palmblättern ein Dach baut.

 

 

 

 

 

 

Diese geführten Wald-Wanderungen, mit dem macheteschwingenden Jaime voran, waren für mich die Höhepunkte unserer Tour. Dabei waren es vor allem die kleinen Dinge, die mich faszinierten, 

 

 

 

 

Oder die faszinierenden Techniken, welche die Indios vor Generationen entwickelt und überliefert haben, welche ihnen das Überleben in dieser schwierigen Umgebung ermöglicht haben. Zum Beispiel löst der kräftige Schlag mit einer Machete an einen Stamm einer bestimmten Baumart einen Knall aus, der sich wie ein Gewehrschuss anhört und über Kilometer wahrgenommen werden kann und als Kommunikationsmittel eingesetzt wird.

Oder ein Armband, das mir Jaime in einer Minute gebastelt hat und nun seit sechs Wochen immer an meinem Handgelenk ist. Nicht mal der Knoten hat sich gelöst.

Nachtrag 14. Mai 2023

 

Heute Morgen hat sich dieses Armband nun von meinem Handgelenk gelöst. Ich habe es Tag und Nacht getragen, niemals abgelegt.

 

384 Tage hat es mich immer wieder immer wieder an die schöne Zeit in Amazonien gerinnert. 


Am nächsten Tag verlassen wir mit vielen neuen Eindrücken die Gegend und fahren zurück nach Manaus, wieder mit der Kombination Boot - Kleinbus - Boot - Taxi.

 

 

 

 

Es regnet wieder kräftig und nun macht der Rio Negro seinem Namen alle Ehre. Er ist richtig unheimlich schwarz.

 

 

 

Unterwegs versucht man sich noch als edler Ritter und schiebt einen im Schlamm stecken gebliebenen PKW an, allerdings ohne Erfolg.

Zurück in Manaus buche ich gleich wieder eine Tour, weil ich noch eine andere Gegend kennen lernen will. Ich gehe alleine - denn Bellazmira hat unsere Dschungeltour zwar genossen, aber danach doch lieber wieder etwas in der "Zivilisation" bleiben will- westwärts auf eine kleine Insel im Rio Negro, nach Anavilhanas. Gebucht habe ich diesen  Trip wieder bei AMAZON GERO TOURS. Die Anlage nennt sich Ananconda Amazon Resort und befindet sich auf einer Insel im Rio Negro.

Es gibt rund zehn gemauerte Doppelbungalows. Die Zimmer sind grösser und die Installationen besser als in der Ipanema Lodge, haben aber überhaupt keinen Charme. Zudem brummt in der Nacht in der Nähe der Gästeunterkünfte ein Generator und die Fenster haben keine Mosquitogitter. Die andern Gäste - je ein Paar aus Indien und den USA - hat das aber nicht gestört, denn sie haben wie zu Hause mit geschlossenen Fenstern und Aircondition geschlafen.
Nichtsdestotrotz: Meine Siesta in der Hängematte mit Blick auf  den Rio Negro und danach den Sprung in den Fluss habe ich sehr genossen.   

 

 

 

 

 

 

Die angebotenen Ausflüge sind zum Teil die gleichen wie in der Ipanema Lodge: Piraña-Fischen, Waldwanderungen und Bootsauflüge. Die Fauna unterscheidet sich hier nicht sichtbar, bei der Flora fällt mir aber auf, dass es einige Waldstücke gibt, die über sehr hohe und mächtige Bäume und kam über Unterholz verfügen.

 

Auch hier hatten wir wieder grosses Glück mit unserem Führer Flavio, auch er ein caboclo, der sein Leben überwiegend am und im Wald verbringt und sein Wissen gerne Reisenden vermittelt.

Bis wohin reicht hier das Wasser? Was sind Bäume und was ist Spiegelung? Bei einer Bootsfahrt in sehr ruhigem Wasser ist die Grenze manchmal nicht einfach auszumachen und irritiert die Augen.

Im Programm steht auch der Besuch eines Dorfes des Tupi-Volkes. Die Tupis sind die grösste Ethnie in Brasilien und leben vor allem in Amazonien und an der nördlichen Atlantikküste.

Ich bin skeptisch, denn ich habe schon unangenehme Erfahrungen (auf andern Kontinenten) mit solchen Treffen gemacht, wo ich mir wie ein Zoobesucher vorkam. So schlimm ist es aber nicht. Der Dorfvorsteher erzählt zuerst auf Tupi Herkunft und Geschichte seines Volkes und des ca. 10 Familien umfassenden Dorfes und Flavio übersetzt. Dann folgen Musik-und Tanzdarbietungen, danach können wir an Ständen Schmuck und Kunstgegenstände kaufen. Jede Familie hat einen eigenen Verkaufsstand. und verkauft nur Gegensttände, die sie selbst hergestellt haben. Am Schluss haben wir noch die Gelegenheit, mit den Dorfbewohner/-innen zu sprechen. Obwohl einige der Jüngeren auch Englisch sprechen, bleibt die Kommunikation eine Einbahnstrasse: Wir fragen, sie geben knappe Antworten. 

 

 

 


 

 

 

 

Was bleibt, neben Erinnerungen an schöne Erlebnisse in faszinierender Natur zusammen mit sympathischen Menschen?

Ehrfurcht und Demut vor dieser überwältigenden Präsenz der Natur.

Staunen über die Vielfältigkeit der Lebensformen auf unserem Planeten.

Respekt vor den Menschen, die sich seit Jahrhunderten mit einfachen, aber wohl überlegten Mitteln in dieser Gegend behaupten.

Hoffnung, dass dieser Teil der Erde nicht durch machtgierige Politiker und skrupellose Menschen zerstört wird.

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Hoffmann Barbara (Donnerstag, 09 Juni 2022 22:39)

    Toll Eure Reisen! Eure Freude daran und dem Mut dazu. Ich kann mich mitfreuen und muß nicht all die "Mühen" selbst auf mich nehmen. Danke für den Bericht, er ist schön zu "er-lesen (erleben)"

  • #2

    Garcia (Montag, 13 Juni 2022 11:12)

    Mi viajera favorita❤️