Buspanne - und wie reagieren die Fahrgäste?

8. Mai 2022

Bei 3700 Buskilometern, die wir in den drei Monaten in Brasilien gefahren sind, gehört eine Buspanne eigentlich dazu. Die brasilianischen Busse sind zwar in einem recht guten Zustand, haben aber in der Regel schon viele Kilometer hinter sich und werden durch die teilweise schlechten Strassenverhältnisse stark beansprucht. Dass es dann auch uns einmal traf und der Bus auf offener Strecke liegenblieb, hat uns also weder geschockt noch überrascht.

Wir starten von Belem und wollen nach Sao Luis. Dies würde mit dem Bus rund 14 Stunden dauern. Das ist uns zu lang und wir bescliessenn deshalb, die Fahrt ungefähr in der Mitte, zu unterbrechen und dort zu übernachten.

Samstag Nachmittag Ankunft in Maracaçumé einer Kleinstadt mit 20´000 Einwohner-/innen. Auf Google Maps finden wir ein paar Hotels. Schon auf dem Weg dorthin fallen uns die mächtigen Lautsprecherwagen auf, welche die Hauptstrasse rauf und runter fahren und ab Band marktschreierische Werbung dröhnen lassen. Dabei wird jedes Watt der Anlage genutzt. Polizeisirene nichts dagegen.

 

 

 

 

Bei der überschaubaren Hotelauswahl entscheiden wir uns für die beste Unterkunft an Ort, das Grand Hotel REAL und staunen über das grosszügige Raumangebot und die schnörkellose Einrichtung.

 

 

 

Wie verbringt die Jugend in einem Provinzstädtchen das Wochenende? Wie andernorts auch mit viel Alkohol und lauter Musik. Allerdings gibt es in Maracaçumé offensichtlich keine Discos, also muss man sich anders behelfen. Man motzt sein Auto mit einer fetten Stereoanlage auf und packt so viele Lautsprecher rein, wie nur reingehen. Dann stellt man die Lautstärke auf das Maximum und fährt mehrmals die Hauptstrasse rauf und runter, wie es tagsüber die Werbefahrzeuge machen. Irgendwann stellt man dann seinen Wagen auf einem Parkplatz neben den seines Kumpels, packt Tisch, Stühle und Bier aus und lässt es aus mehreren Autos drööööööööhnen. Ganz viel Bass ist wichtig.

 

 

 

 

 

So warten wir am Sonntag Morgen nach einer etwas unruhigen Nacht am Busbahnhof auf unseren Bus nach Sao Luis. Vor uns liegen 450 Strassenkilometer und eine fahrplanmässige Reisezeit von über 9 Stunden.

Pünktlich fahren wir ab. Nach ein paar Stunden fällt der Motor zum ersten Mal aus. Die beiden Fahrer steigen mit Werkzeug aus und arbeiten am Motor. Alle Fahrgäste bleiben im Bus. Nach einer Viertelstunde steigen die Fahrer mit ölverschmierten Händen wieder in den Bus. Wir fahren weiter und das Problem scheint gelöst. Nach kurzer Zeit stottert der Motor und fällt wieder aus und die Fahrer stecken die Köpfe wieder in den Motorraum.

 

 

 

Das wiederholt sich nun mehrmals: Fahren - Motoraufall - flicken - weiterfahren - Motorausfall.

Nach dem zweiten oder dritten Mal steigen auch einzelne Passagiere aus, rauchen, schauen den Fahrern bei der Arbeit zu. Es fällt kaum ein Wort. Wir fragen die Fahrer, was los sei. Sie lächeln freundlich, geben sich aber wortkarg.

Mit der Zeit werden die Unterbrüche immer länger, die Fahrstrecken zwischen den Pannen immer kürzer und es wird langsam klar, dass wir unser Fahrziel so nicht erreichen werden. Die Passagiere bleiben aber ruhig, auch die Kinder. Man unterhält sich im oder vor dem Bus miteinander, wie wenn es sich um reguläre Stopps handeln würde. Wir fragen einzelne Mitreisende, ob sie erfahren haben, was los sei und wie es weitergehen würde. Keiner weiss etwas - und keinen scheint das zu interessieren. Alle sind ruhig, gelassen, zeigen keine Reaktion. Wir sind erstaunt über dieses Verhalten, kennen wir doch die Brasilianer-/innen als lebhafte und sehr kommunikative Menschen. Ist das nun Coolness oder Fatalismus?

 

 

Wir wenden uns nun selbst an die Fahrer, die nun doch langsam einen ratlosen Eindruck machen. Sie haben ihre Reparaturversuche aufgegeben und wir erfahren, dass sie versuchen mit der Zentrale telefonsich Kontakt aufzunehmen um Hilfe anzufordern. Aber da wir uns auf offener Strecke befinden und weit und breit keine Dorf in Sicht ist, haben wir kein Mobilnetz, was in Brasilien ausserhalb der Agglomerationen üblich ist. 

Also bleibt nichts anderes als abwarten. Unweit unserer "Haltestelle" sehen wir einen Club, aus dem Musik und Gelächter hörbar sind. Zusammen mit zwei, drei andern Fahrgästen gehen wir nachschauen - und stossen auf eine fröhliche und ziemlich angeheiterte Gemeinschaft. Da lassen wir uns doch gerne nieder!

Oberhalb des Ausschanks steht:

Gott segne dich beim Eintreten in unser Haus, beim Verlassen möge er dich begleiten.

Letzteres kann man je nach Alkoholpegel dann sicher gut brauchen. 

Nun müssen wir wohl wieder mal zum Bus um zu schauen, ob es Neuigkeiten gibt. Dies ist nicht der Fall, alles wie zuvor: Bus kaputt, Passagiere cool, Fahrer müde. Da wir uns unweit einer kleinen Stadt, Santa Ines, befinden halten wir vorbeifahrende Autos an und fragen wie nun auch andere Passagiere um Mitfahrgelegenheit. Auch das ist in Brasilien nicht unüblich. Man gibt dann dem Fahrer den vorgängig vereinbarten Geldbetrag.

So kommen wir gegen Abend in Santa Ines an. Wir beschliessen, hier zu übernachten und quartieren uns ins direkt am Busbahnhof gelegene Palace Hotel ein. Nach dem Grand Hotel Real in Maracaçumé haben wir uns an einen bestimmten Standard gewöhnt...

 

Später gehen wir zum Essen raus und treffen auf einen Teil unserer Reisegruppe. Sie sagen uns, dass nun ein Ersatzbus unterwegs sei, der hier in Santa Ines um 01Uhr eintreffen soll. Morgens sollten sie dann in Sao Luis ankommen.Geduldig warteten die Reisenden am Busbahnhof, auch die Kinder...

 

 

 

 

 

 

 

Wir sind froh, die Reise unterbrechen zu können und verlassen am Morgen unser Hotel - auf dem nun die Geier hocken - und nehmen den nächsten Bus nach Sao Luis, wo wir - rund 30 Stunden nach unserer Abfahrt in Maracaçumé ohne weiteren Zwischenfälle ankommen.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0