Statt Ayurveda....

Während sich Bellazmira in einem idyllischen Resort am Meer verwöhnen lässt, fahre ich ins bewaldete Hochland von Kerala, nach Wayanad.

Ich buche eine Unterkunft in der Nähe des Wayanad-Naturschutzgebietes in den Western Ghats, einem 1600 km langen Gebirgszug, der parallel zur Westküste verläuft. Schon auf unseren früheren Indien-Reisen haben wir uns in den dünnbesiedelten Ghats immer wieder von den lebendigen, aber eben auch stressigen Städten erholen können. Im Wayanad leben viele wilde Elefanten, Bengal-Tiger, Rotwild und einige seltene Vogelarten, z.B. die auffälligen Nashornvögel (hornbills).

Mein Plan ist es, eine gute Woche in und um das Naturschutzgebiet zu wandern und Touren mit Parkwächtern zu unternehmen.

Ich erfahre aber von meinem  Gastgeber in der Unterkunft, Jubin, dass ich meine Pläne ändern muss. Wenige Tage vor meiner Ankunft in Wayanad gab es am Rande des Naturschutzgebiets einen tödlichen Konflikt zwischen Elefanten und Bauern, die ihre Ernte gegen eindringende Elefanten zu verteidigen versuchten. Mindestens ein Bauer kam dabei ums Leben. Das Wayanard Wildlife Sanctuary wurde daraufhin von der Regierung auf unbestimmte Zeit geschlossen.

 

Diese Konflikte sind keine Seltenheit und werden häufiger. Durch das Bevölkerungswachstum steigt auch die landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen. Der Lebensraum der Elefanten (und anderer Wildtiere) nimmt ab und die Wege der nomadisierenden Tiere werden durchschnitten.

 

Die Bauern versuchen, mit Elektrozäunen ihre Ernten zu schützen, was von den Lokalregierungen unterstützt wird. Heute verwendet man manchenorts mobile Zäune, die mit Solarpanels gespiesen werden und nach der Ernte abgebaut und eingelagerst werden. So wird der Lebenraum der Elefanten nicht ganzjährig eingeschränkt. Die Stromstärke dieser legal montierten Zäune seien für Elefanten abschreckend, aber nicht gefährlich. Vielerorts würden aber illegale lebensgefährliche Starkstromzäune von Bauern montiert.

Nicht nur das Wayanad Sanctuary wurde geschlossen, sondern auch weitere Naturparks, Trekking-Routen - und sämtliche Eco-Lodges in Wayanad. Für letzteres fanden sich keine Erklärungen und der finanzielle Schaden für die Betroffenen ist gross.

Wayanad ist auch mit geschlossenem Nationalpark noch genug attraktiv für mich. Als erstes unternehme ich eine Wanderung Richtung Peak Chemba dem mit 2100m höchsten Berg der Provinz.

(Auf dem Bild ist links die kommunistische Hammer- und Sichelflagge erkennbar, welche man in ganz Kerala häufig sieht. Seit den 80-er Jahren wechseln sich zwei Koalitionsregierungen bei den immer friedlich verlaufenden Wahlen fast regelmässig ab: eine konservative und eine Linkskoalition unter der Führung zweier(!) kommunistischer Parteien.)

Ich will und kann es nicht bis zum Gipfel schaffen, denn einerseits beträgt der Höhenunterschied über 1000 Meter und bis zur Spitze würde es 6-7 Stunden dauern. Anderseits ist die letzte Teilstrecke sowieso seit dem tödlichen Unfall mit Elefanten sowieso geschlossen.

Der Weg führt zunächst langsam bergauf über hügelige Teeplantagen, und kleine Gehöfte. 

 

 

 

 

Nach rd. 3 Stunden ist Schluss und ich suche mir einen andern Weg zurück.

Mit meinem Gastgeber Jubin unternehme ich eine Tour in eine Gegend, welche vor ein paar Jahren von einem starken Unwetter betroffen war. Nach tagelangen Regenfällen kam es zu einem Bergsturz und ein ganzes Tal mit Siedlungen und Teeplantagen wurde überschwemmt. Es gab Dutzende von Toten.

Die Verwüstungen sind heute noch gut sichtbar. Im oberen Teil sind keine menschlichen Spuren mehr sichtbar - mit einer Ausnahme:

Eine Einsiedelei hoch oben im Tal  wurde vom den Schlammmassen verschont. Die Regierung forderte Bewohner wie die ganze restliche Talbevölkerung, die Gegend zu verlassen und sich andernorts niederzulassen,  denn der Hang gilt immer noch als unsicher. Er aber weigert sicht mit allen juristischen Mitteln, sein Anwesen aufzugeben. Im Gegenteil, er baut es noch publikumswirksam aus und wurde schon öfters von Journalisten besucht und war Gast in TV-Sendungen.

Jobin kennt diesen Einsiedler und wir wollen ihn besuchen. Er ist aber leider nicht zu Hause

Nun will ich noch eine andere Gegend von Wayanad kennen lernern und wechsle deshalb meine Unterkunft. Ich bin nun im nordwestlichen Teil der Hochebene. Abgelegen, wirklich abgelegen. Gut um ein paar Tage die Natur zu geniessen.

 

Ich bin der erste ausländische Gast hier und das Gastgeberehepaar gibt sich die grösste Mühe, mir den Aufenthalt angenehm und erlebnisreich zu gestalten. Das ist zeitweise für beide Seiten etwas anstrengend.

Sayooj, so heisst der Gastgeber, bietet mir die Gelegenheit, eine indigene Familie zu besuchen. lernen. In Indien gibt es rd. 700 Volksgruppen, die als "Ureinwohner" registriert sind. Ureinwohner in dem Sinn, dass sie vor den Indogermanen, die heute die Mehrheit im Land bilden, eingewandert sind.

Im stark bewaldeten Wayanad leben einige dieser Volksgruppen, meist etwas versteckt im Wald und meist als einzelne Familien ein paar Hundert Meter von der nächsten Familie entfernt. So auch hier, zugänglich ist das Haus nur über einen Fusspfad, etwa 150 Meter vom Waldweg entfernt.

Wir besuchen auch eine nächtliche, sehr gut besuchte Zeremonie, die sehr archaisch anmutet. Die Urweinwohner des Wayanad leben einen mit Naturreligionen vermischten Hinduismus.

Auf mich wirkt diese Zeremonie wuchtig, reduziert auf einfache Elemente, ursprünglich. So wie wir auch im Wald immer wieder auf Kultstätten der Urbevölkerung treffen. Was für ein Gegensatz zu den bunten und überladenen modernen Hindutempel!

Dank Sayooj komme ich auch noch in den Genuss eines Dampfbades, auch dies sehr ursprünglich: Mein Körper wird mit einer Paste aus verschiedenen Kräutern eingerieben und Wasserdampf, mit einem Holzofen erzeugt, wird  in eine enge, schrankähnliche Kabine geleitet, in der ich eine geschätzte halbe Stunde stehend schwitze. Danach dusche ich mich mit kaltem Wasser ab und befreie mich von der grünen Kräuterpaste - und fühle mich sauwohl danach. 

Mein Wayanad-Aufenthalt geht zu Ende und ich fahre mit dem Bus wieder ins Tiefland,  Im Vergleich zu Zugsreisen ist es im Bus enger und es gibt kaum Platz für das Gepäck. Aber es ist auch einfacher, mit den andern Fahrgästen in Kontakt zu kommen. Auch auf dieser Fahrt ist es besonders einfach. Ich reise mit einer lauten und munteren Gruppe einer Tourismus- und Aviatikschule aus Bangalore, die auf der Rückreise ist. Die StudentInnen sind sehr interessiert, mich über meine Reiseeindrücke zu befragen und ich kann einiges über ihre Ausbildung erfahren. Eine schöne Busfahrt!

 

Meine nächsten Stationen sind die Städte Mysore und Bangalore, wo ich jeweils ein paar Tage bleiben werden. Dach fliege ich nach Varanasi, wo Bellazmira fast zur gleichen Zeit aus Cochin ankommen wird - und ich freue mich darauf, die Reise gemeinsam mit ihr fortzusetzen!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0